Prof. Inge Mahn
Statement
Schon das Studium der Kunst ist Kunst
Das Studium von Kunst kann im eigentlichen Sinne kein Lehrfach sein. Es gibt nur Wege zur Kunst. Es kann nicht von fertigen und unfertigen Künstlern gesprochen werden, sondern nur von Künstlern, von jüngeren und älteren, die immer jeweils in ihrer Zeit arbeiten.
Alle arbeiten mit an der Bewegung, die wir Kunst nennen, die mehr eine Geistesbewegung ist als ein Handwerksunternehmen. Sie bezieht sich immer auf das oder geht von dem aus, was vorher von Künstlern gemacht oder geschaffen wurde, lebt und arbeitet aber im jetzt, das morgen schon gestern ist.
Die sinnlich und geistig wahrnehmbaren Ergebnisse künstlerischer Denkprozesse sind Kunst, Kunstwerke. Die jungen Künstler, hier die Studierenden, leben in ihrer Zeit. Spricht jemand von »meiner« Zeit, so meint er/sie damit die eigene Entwicklungszeit, die Zeit der Veränderungen.
Sie ist für Künstler die schöpferisch wichtigste Zeit, die meistens mit der Studienzeit zusammenfällt. Es ist nicht leicht, die Kunstwerke, die außerhalb der »eigenen« Zeit liegen, zu begreifen, wenn das eigene Denken auf die eigene Zeit und die eigene Kunstdefinition beschränkt bleibt.
In der Kunsthochschule wird »Freie Kunst« als Studienfach angeboten. Das heißt, die Lehre kann sich nicht auf das Einüben von Gesetzmäßigkeiten bereits definierter Kunst beschränken. Die gedankliche Auseinandersetzung freier Künstler bewegt sich immer am Rande oder außerhalb von Gesetzmäßigkeiten und erzeugt neue Gesetzmäßigkeit.
Schon das Studium der Kunst ist Kunst.