Sommersemester 2009,

READ MY LIPS

Projektbeschreibung

Interaktive Videoinstallation Read my Lips (2009, Kerstin Honeit)

 

Mit Read my Lips, einer interaktiven Videoinstallation untersuche ich wie schon in Arbeiten zuvor die Inszenierung von entkörperter Stimme im Zusammenhang mit Filmsynchronisation.

 

Who are you ? fragt Ingrid Bergman beinahe mütterlich in der Rolle einer Psychologin ihren Patienten (Gregory Peck) der sein Gedächtnis verloren hat. Der antwortet mit ängstlich aufgerissenen Augen und begleitet von der dramatischen Untermalung eines Streichorchesters, Ich bin jemand anderes, aber ich weiß nicht wer. Genauer gesagt, Gregory Peck antwortet eben gerade nicht, sondern jemand anderes. Der oder die andere ist in diesem Fall eine partizipierende Rezipientin, die in einer interaktiven Videoinstallation agiert: In einem abgedunkelten Raum, mit einer Projektionsfläche, ein Stehpult mit Mikrofon und eingelassenem Monitor, auf dessen oberem Bildrand Read my Lips zu lesen ist, während Fließtext nach dem Karaoke-Prinzip im unteren Teil aufleuchtet. Die neue Stimme spricht die Worte, Ich blicke in den Spiegel, aber ich sehe mich nicht. Ich sehe jemand anderen, synchron zu Pecks stummer Lippenbewegung in das Mikrofon.

 

Das Footage für den fünfminütigen Videoloop liefern montierte Szenen US-amerikanischer Psycho-Thriller der 1950er Jahre, die alle das Motiv des „vertrauten Unbekannten“ aufgreifen. Bei dieser Aneinanderreihung hitchcock-esker Spannungsmomente wird die Frage nach dem filmischen Gegenüber vom Filmplot in den Installationsraum transferiert. Bergmans Frage, Who are you ? bezieht sich also nicht mehr nur auf den Filmpartner Gregory Peck alias John Ballantine, der durch seinen Gedächtnisverlust glaubt, er sei Antony Edwoods, sondern auch auf die Rezipientin, die Peck gerade ihre Stimme verleiht. Der Ausspruch, Ich bin jemand anderes, aber ich weiß nicht wer, kann hier für die Realität der Filmfigur stehen, genauso aber auch für die der involvierten Betrachterin, die innerhalb der fünf Minuten vier verschiedene Charaktere unterschiedlichen Geschlechts und Alters spricht. Durch diese Form der aktiven stimmlichen „Unterwanderung“ stereotyper Geschlechterbilder made in Hollywood wird der Installationsraum auch zu einer Bühne des Voice Drags. Die Rezipientin ist jetzt Akteurin, die vor Publikum (auf der Leinwand und im Kunstraum) durch die performative Resignifizierung des Sprechaktes den Kontext des Films individuell und neu codiert.

Teilnehmer Kerstin Honeit
Betreuung Prof. Inge Mahn
ProjektkategorieDiplom
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Innenansicht vom Installationsraum
Alle Rechte vorbehalten
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Außenansicht
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Alle Rechte vorbehalten
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