Lehrangebote

Michael Schwarz

MA Raumstrategien

Seminar

RAUM-ERFAHRUNG, -VORSTELLUNG, -ERKENNTNIS

Das nicht nur theoretisch ausgelegte Seminar soll die psychologische, experimentell-künstlerische bzw. -ästhetische und erkenntnistheoretische Auseinandersetzung mit dem Phänomen/Komplex RAUM im Übergang von der Moderne zur Gegenwart untersuchen.

Vom RAUM der Moderne zum RAUM der Gegenwartskunst

Ob die Moderne nun mit der Auflösung der egozentrischen RAUMperspektiven und dem Reduktionismus auf das „Sinnliche“ und „Autonome“ am KunstWERK beginnt oder gerade mit der Neubegründung des RAUMS durch die „nicht retinale“ (kognitive, a-modale, virtuelle) „Idee“ der Bewegung bis in die vierte Dimension (M. Duchamp) durchschlägt – Grundlage der Konzeptkunst (J. Kosuth, S. LeWitt) – sei dahingestellt. Die Kunst der Gegenwart (seit den 60er/70er Jahren des 20. Jhs.) kündigte sich durch einen Wandel von der Werkästhetik zu einer Ästhetik der Erfahrung von sozialen, politischen, Erkenntnis- und Handlungs-RÄUMEN bzw. Situationen an.

Ein künstlerischer Übergang vom RAUM-Begriff zu der Frage nach dem Charakter von RÄUMEN kann anhand von Referaten zu folgenden oder eigenen Themen besprochen werden: Duchamps Idee der Bewegung von der Tiefenwahrnehmung bis zum vierdimensionalen RAUM, Frederick Kieslers RAUMtheater; sozialer, politischer und Möglichkeits-RAUM (z.B. Joseph Beuys, Martha Rosler, Adrian Piper, Dan Graham); Gordon Matta-Clarks RAUM-Cuttings; Maria Lassnigs propriozeptiver Körper- und Vorstellungs-RAUM; Bruce Naumans psychologischer RAUM der Öffentlichkeit oder Louis Aragons StadtRAUM...

Als Beispiel für eine „Stimmung“ bzw. einen Charakter, bezogen auf bestimmte RÄUME, wird das Unheimliche (S. Freud) herangezogen und auch auf den architektonischen RAUM bezogen (Anthony Vidler), evtl. mit einem Ausflug zu Mike Kelleys „The Uncanny“ oder zur Pathologie des RAUMES (Agoraphobie und Klaustrophobie).

Der epistemologische RAUM

Historisch spaltet sich die Erkenntnistheorie im Gegensatz zu Kant bei der Frage nach dem RAUM-Begriff in zwei Lager, einerseits in Psychologen, die den RAUM aus den Phänomenen der Wahrnehmung ableiten (von Carl Stumpf und Albert Michotte bis zu J.J. Gibson) und andererseits jene, die von Henri Poincarés „Gruppen der Ortsveränderung“ ausgehen, wie z.B. Piaget mit seinem sensomotorischen RAUM. Wie steht dieser Wahrnehmungs- bzw. HandlungsRAUM mit dem geometrischen (H. v. Helmholtz) und dem mathematisch, axiomatischen RAUM (D. Hilbert) in Beziehung?

In den unterschiedlichen Auslegungen findet sich ein Ausgangspunkt wieder, den wir im letzten Semester als Gegensatz der Realisten und Konstruktivisten besprochen haben. Also, warum nicht noch einmal genau hinsehen – ohne die gewohnte Polemik zwischen Materialismus versus Empiriokritizismus (W. I. Lenin), Spekulativem Realismus versus Konstruktivismus (Modephilosophie) in den Vordergrund zu stellen.


Literatur:
Aragon, Louis. Der Pariser Bauer [1926]. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996.
Freud, Sigmund. Das Unheimliche [1919]. In: Freud, Anna (Hrsg.). Gesammelte Werke. Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 1999, Bd. XII., S. 227-278.
Küpper, Joachim und Christoph Menke (Hrsg.). Dimensionen ästhetischer Erfahrung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003.
Piaget, Jean. Die Äquilibration der kognitiven Strukturen. Stuttgart: Klett, 1976.
Piaget, Jean. Die Entwicklung des Erkennens I. Das mathematische Denken [1950]. Stuttgart: Klett, 1975.
Poincaré, Henri. Wissenschaft und Hypothese [1904]. Leipzig/Berlin: Teubner, 1928.
Poincaré, Henri. Der Wert der Wissenschaft [1906]. Leipzig/Berlin: Teubner, 1921.
Stumpf, Carl. Über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung. Leipzig: S. Hirzel, 1873.
Download als PDF: https://archive.org/details/berdenpsycholo00stum
Vidler, Anthony. The Architectural Uncanny: Essays in the Modern Unhomely. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1999.
Vidler, Anthony. unHEIMlich. Über das Unbehagen in der modernen Architektur. Hamburg: Nautilus, 2001.
Wiener, Oswald. Für Maria. In: Hegyi, Lóránd (Hrsg.), Maria Lassnig. Wien: Museum für moderne Kunst Stiftung Ludwig Wien, 1999, S. 177-187.

Sommersemester 2016

1. und 2. Studienabschnitt

Wochentag(e) : Donnerstag

Turnus : Wöchentlich

Zeit: 14.00 h

Beginn : 21.04.16

Ende : 14.07.16

Ort : Raumstrategien, T3.02


Teilnehmerzahl : 0 (0)