Prof. Bente Stokke
statement
ZEICHNEN ist die elementarste, unmittelbarste und direkteste aller kreativen Ausdrucksmittel, und lässt sich immer und überall und mit so gut wie allem ausführen; und von Allen.
Zeichnen ist in höherem Grad als jede andere Ausdrucksform,
die kommunikativste.
Ein schneller Fingerzeig in der Luft, eine geheime Nachricht auf den beschlagenen Badezimmerspiegel oder Kritzeleien im Telefonbuch während eines Telefongesprächs.
Eine Zeichnung kann eine visuelle Notiz und die schnelle Fixierung einer Idee sein, oder der Plan zur weiteren Entwicklung eines Konzeptes, und ein Instrument zum Dialog, oder Erinnerung an den Inhalt eines Gesprächs.
Eine Zeichnung dient oft als Ausgangspunkt für Malerei und Skulptur,
als schnelle Skizze zur Instruktion von Tänzern, als Diskussionsgrundlage für den Neuentwurf eines Türhandgriffes für Kinder, Jørn Utzons siegreicher Entwurf für die Oper in Sydney auf der Rückseite eines Kassenbons, Leonardo da Vincis Skizzen für den Kaminabzug, – ein Porträt in HB Bleistift der Großmutter in der Woche vor ihrem Tod.
Alle diese Zeichnungen haben ihren eigenständigen Wert, sie sind etwas weiterführendes in einer Diskussion, oder sind Vorlage zur Ausführung in anderen Materialien.
Sie sind Wertpapiere.
to draw a line is to create space
Eine Linie zeichnen, bedeutet Raum zu schaffen.
Und die Entstehung des Raumes beeinflusst die Linie.
Und als Remulus einen Strich im Sand zog,
trotzte sein Zwillingsbruder dieser Gefahr,
überschritt die Linie, und der Bürgerkrieg brach aus.
Ein einzelne ganz dünne horizontale Linie auf einem A4 Blatt
kann einen unendlich großen Raum entstehen lassen.
Durch die Linie öffnet sich ein ganz persönlicher und oft unterbewusste Raum, der notwendig ist für die Entwicklung der Studenten.
Dieser Raum beherbergt das Fundament für ein Alphabet,
das sich während des gesamten kreativen Prozesses zu einem persönlichen Vokabular entwickelt,
und es ist oftmals auf Grund weniger Zeichnungen, das der Lehrer erkennt
mit welchem Materialien und Formaten der Student schließlich zukünftig arbeiten wird.
to draw is to see
Zeichnen lernen, bedeutet bewusst sehen lernen.
Um nicht nur die Hand in einer sicheren Linie auf dem Papier zu üben,
sondern durch das Zeichnen ausgewählter Bereiche und Gegenstände und das Beschreiben von Oberflächen und Materialien, treten die Elemente der Umwelt deutlicher hervor, in Situationen, mit Objekten, Formen, Farben und Lichtverhältnissen und lassen sich somit leichter einfangen; die Auffassungs- und Beobachtungsgabe wird geschärft.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Zeichenunterrichtes ist es, eine direkte Verbindung zwischen dem Auge, dem Kopf und der Bleistiftspitze herzustellen:
Die Zeichnung soll aus der Hand fließen können.
So das Bilder und Visionen unmittelbar in Zeichnung umgesetzt werden
und die Zeichnung zum Instrument der visuellen Entwicklung einer Ideen-Produktion wird, mehr als ein Ziel an sich.
Zeichnen soll Teil des Alltags sein.
In dem man idealerweise soviel wie möglich zeichnet‚ alles mögliche, am besten ständig: die Träume der letzten Nacht, Personen auf dem Weg zur Schule, in der U-Bahn, Situationen in der Mensa und schnelle Skizzen auf dem Weg vom Einkauf, für den der Einkaufszettel eigentlich auch gezeichnet sein könnte.
Man zeichnet auf dem Sonntagsausflug in den Zoo, auf der Pilzsuche im Wald. Und bevor man einschläft, zeichnet man die Kleider wie sie auf dem Fußboden liegen, als man sich ausgezogen hat.
Während einer langweiligen Vorlesung zeichnet man sein eigenes Knie.
Zeichnen was man sieht und was man nicht sieht, was man gerne sehen möchte und was noch nicht erkannt ist. Der Skizzenblock ist immer parat, um das Zeichnen schnell als Instrument zu erlernen und später diese Fähigkeit beizubehalten, ohne das dass Resultat das wichtigste wird.
Um so dass Erkannte deutlicher zu machen.
Das Format der Zeichnung selbst ist Wichtig,
von der Größe einer Briefmarke bis zu den großen Wand und Bodenflächen. Man zeichnet Stadt- und Landschaften und man zeichnet in der Landschaft und Objekte in Landschaften.
Und man kann mit und auch auf die Landschaft selbst zeichnen.
Der Zeichenunterricht findet im Innen- wie im Aussenraum; in Tageslicht, in Kunstlicht und im Dunkeln, und innerhalb von bestimmten Zeitabständen statt: Konzentrierte Zeichenübungen die sich über einen bestimmten Zeitraum erstrecken, Projekte in denen eine Zeichnerische Arbeit fertig gestellt werden
soll, sind eine wichtige Vertiefungserfahrung, genau wie Projekte bei denen in relativ kurzen Zeitabständen Zeichnungen ausgeführt werden sollen. Die Zeichnung ist ein schnelles Medium. Einige wenige Striche vermögen die kompliziertesten Situationen zu beschreiben, aber die Zeichnung ist gleichzeitig das Medium, das vor allem – zum Beispiel bei Aktzeichnen – eine genaue Beobachtung und Konzentration einfordert.
Und, wenn die Hand dem Bleistift die Freiheit lässt,
sich ziellos und spielerisch über ein Blatt Papier zu bewegen,
und wenn man dann diesen Linien folgt, lassen sich durch sie
bisher unbekannte Räume und Ideen entdecken
und Gedanken die bisher noch nicht gedacht waren, wiedererkennen.