Course Offerings

Prof. Barbara Junge , Benedikt Weishaupt

BA/MA Visuelle Kommunikation

Entwurfsprojekt im Hauptstudium

Orte

»Sobald Individuen zusammenkommen, bringen sie Soziales hervor und ­erzeugen Orte.«
Marc Augé

U-Bahnhof, Späti, Schwimmbad, Klub, Mauer, Straße, ­Ferienwohnung, Altenheim, Hinterhof, Küche, Schreibtisch, Schublade, Stadtschloss, Straßenmusiker, Wochenmärkte, Konzerte, reddit, 4chan, Lieferando, car2go, Einkaufszentrum, Autobahn, Bahnhof, Flughafen, Computer, Google-Earth, Second Life, Minecraft, World of Warcraft

Aufgabe
Die TeilnehmerInnen des Projektes wählen einen Ort, den sie zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen. Diese Untersuchung kann frei oder nach vorher konzipierten Methoden passieren. Die Orte können »an sich« dargestellt werden, in ihrer Funktion, in ihrer Bedeutung als Möglichkeit für soziale Vorgänge, in ihrer poetischen und emotionalen Dimension, ihrer räumliche und zeitlichen Struktur, ihren Öffnungen und Abgrenzungen, in ihrer Historie oder in vielen anderen Zusammenhängen.

Darstellung
Alles ist erlaubt: Film, Fotografie, Zeichnung, selbstgeschriebene und übernommene Texte, Interviews, Collagen, Interaktion, Virtual Reality und anderes mehr. Als Ergebnis können wir ein Magazin oder eine Ausstellung andenken.

Bespielhaft nur einige von vielen möglichen Vertiefungsebenen:

The Map is not the Territory Ein naheliegendes Thema ist die Kartografie. Google Earth geht durch immer besseres technisches Bildmaterial immer mehr in Richtung von Jorge Luis Borges Karte 1:1. Die Methoden der Kartographie – siehe hierzu die Mappa Mundi des Mittelalters – können in diesem Projekt durchaus interessant sein als eine Möglichkeit erzählerischer Darstellung. Im technologischem Bereich erweitern mobile Mapping- und Tracking-Technologien den Raum um Möglichkeiten für Kommunikation und Vernetzung, die Kehrseite sind zunehmende Kontrolle und Überwachung. KünstlerInnen nutzten und zweckentfremdeten diese Technologien trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Ambivalenz schon früh für ihre Arbeit, z.B. Ester Polak »Amsterdam Realtime«.

Psychogeographie / Mental Maps Die Psychogeographie untersucht, welchen Einfluss die (architektonische, geographische, situative) Umgebung auf die Wahrnehmung, das psychische Erleben und das Verhalten hat. Psychogeographie ist also die experimentelle Erforschung der Umwelt und ihrer Auswirkungen. Siehe hierzu u.a. das Projekt »Biomapping« von Christian Nold. Psychogeographie ist aber auch ein Spiel, es geht darum unsere vorhersehbaren Pfade als Fußgänger_innen zu verlassen und uns Strategien zu überlegen, wie wir die städtische Landschaft erkunden. In diesem Zusammenhang interessant sind auch künstlerische Strategien wie das »Dérive« der Situationisten, die vor allem in den 1960er Jahren in der Tradition von Dada und Surrealismus aktiv waren: das Erkunden einer Stadt durch zielloses Umherschweifen.

Daten im Raum / locative Media
Durch die Digitalisierung findet eine Rekonfiguration des öffentlichen Raums statt, dessen Natur dadurch immer hybrider wird. Was würde die von Freud skizzierte Unmöglichkeit zu vergessen (links) für Rom bedeuten? Die kulturellen, sozialen und politischen Implikationen, die sich aus der zunehmend enger werdenden Überlagerung von Realraum und Informationssphäre ergeben sind immer noch zu hinterfragen und könnten Gegenstand (z.B. designfictionaler) Untersuchungen sein.

Interactive Storytelling / Virtual Reality
Mit den künstlerischen Virtual Reality-Arbeiten (VR) seit Ende der 1980er Jahre werden Bilder zunehmend zu Räumen/Orten – durch Verlust der Perspektive auf die Außenwelt ist die Immersion vollkommen und der frühere die Bildwelten umgebende Rahmen, als eine Art (uns auf Distanz haltendes) Fenster auf eine andere Welt, verschwindet. Ähnlich wie bei den lokativen Medien kann auch hier untersucht werden, welche künstlerischen und erzählerischen Ausdrucksmöglichkeiten dieses Medium bietet, als auch deren Auswirkungen (z.B. auf unser Erleben von Raum und Zeit) kritisch hinterfragt werden.
Umwelt designen
Henri Lefevre behauptete, dass neue Formen von Demokratie und Freiheit nur im ständigen Austausch und der Produktion von neuen Orten entstehen kann(Henri Lefevre, »Experimental Geography«). Auf die heutige Zeit bezogen schlussfolgert Hanno Rautenberg, dass der Schwund staatlicher Fürsorge und familiärer Bindung des Einzelnen dazu führt, dass wir uns immer stärker nach einem Rückhalt im »Wir der Stadt« sehnen (Hanno Rautenberg, »Wir sind die Stadt«). Wie können wir als Designer an Orten teilnehmen und dadurch Mitmenschen zur Teilnahme an Orten bewegen?

Reading the City
In »Learning from Las Vegas« von 1972, welches profane Architektur entlang des »Strips« untersucht, bedauerten die AutorInnen schon damals zu wenig Zeit zu haben, um angemessene Visualisierungen für ihre Erkenntnisse anbieten zu können. Ihr Aufruf an Gestalter zeigt, dass das, was wir sehen, fühlen und denken, wenn wir durch eine Straße laufen, selten angemessen visualisiert werden kann. Durch die beschleunigte Entwicklung von Information und Technologie simulieren wir uns als Menschheit zum ersten mal eine Welt, welche es noch zu entdecken gilt. Im Bezug auf Marc Augé (again!) könnte man hier sagen: »Sobald zwei Twitterbots zusammen kommen, bringen sie Soziales hervor und erzeugen Orte.«. Wir entdecken es erst 2 Sekunden später. Gerade diese Beobachtungen sollten uns dafür begeistern, neue Erkenntnisse auch über diese Umwelt zu sammeln und darzustellen.

Technik
Ein Ort ist, wo man hingehen kann, sei es durch das Studiticket, Wifi-Passwort oder starren an die Decke. Dokumentation ist, wenn man von dort etwas mitbringt. Design ist, wenn man wieder hingeht und den Ort verändert. Erzählung, wenn man dann darüber berichtet. Um dazu fähig zu sein, benötigen wir immer häufiger technische Werkzeuge. Aus diesem Grund erlernen wir projektbezogen Strategien wie z.B. GPS-Tracking, immersive Storytelling (VR), inclusive Storytelling. Natürlich bedarf es eines strikten Zeitplans und der rechtzeitigen Anmeldung des benötigten Bedarfs an Know How, um dies realisieren zu können.

Gäste (angefragt)
Christoph Mille und Tawan Arun
Aram Bartholl
Orte Magazin: www.buecherundhefte.de/publications/orte-magazin.html

Ablauf
In den ersten zwei Wochen findet eine Fotografie-Einführung im 2. Studienjahr zum Thema »Unorte« von Andreas Meichsner statt. Wir verknüpfen die beiden themenverwandten Projekte und nutzen dies als einen Auftakt-Workshop, um Bilder (Fotos aber gerne auch Videos, Zeichnungen, Texte, etc ...) zu den gewählten Orten (es müssen nicht Unorte sein) zu produzieren. Interessierte überlegen sich bitte bis zum Semesterbeginn einen oder zwei Orte, mit denen sie arbeiten möchten, damit wir zügig mit der Arbeit beginnen können.

Treffen
wöchentlich Montags Vormittags (10 – ca. 14 Uhr) + Mittwoch bei Bedarf Vormittags
Erstes Treffen: Mittwoch, 11. Oktober, 10h, voraussichtlich Raum C102

Wintersemester 2017/2018

2. Studienabschnitt

Location : Komm, C1.02


Compulsory : Wahlpflicht

Number of participants : 10 (10)

Credit Points : 20