Projekt
RE_THINKING CRAFTS
„Kunsthandwerk bedeutet weder eine sentimentale ethnische Seltsamkeit, die im Vergleich zu Kunst und Design ohne Bedeutung ist, noch naive Verehrung des Einmaligen und Handgemachten. Kunsthandwerk ist Exzellenz, Überzeugung, Ermächtigung und ursprüngliche Innovation. Es ist ein wirtschaftliches Produktionsmodell für eine Welt die sich den Herausforderungen von Rezession, Klimawandel und kulturellen Minderheiten stellen muss. Nichtsdestotrotz gibt es auch immer noch gutes und schlechtes Kunsthandwerk“ *
Wir leben in einer immer vielteiligeren und schnelleren Konsumgesellschaft, in der Prozesse und Beziehungen zunehmend virtuell geworden sind. Gegenüber diesem Kontext scheinen unmittelbare Praktiken und Bewegungen wie Guerillastricken, Urban Gardening, Do-it-yourself-Aktivismus, ‚Garnbomben’, Hacken oder Stitch ’n Bitch einen eigenständigen sozio-politischen Kommentar herzustellen. Auch haben viele etablierte Designer und Künstler die Rolle der physischen Berührung für den Menschen neu aufgegriffen** und kehren zu manuell hergestellten Produkten zurück – das persönliche Handwerk wird über die technische Perfektion gestellt. Allerdings wird die Hand heute oft durch digitale Werkzeuge erweitert und Kunsthandwerk mit Hightech-Verfahren vermischt, was zu völlig neuen Ergebnissen führt. So bildet sich ein alternativer Blick auf das zeitgenössische Design, der einzigartige Qualitäten hervorbringt und der Allgegenwart und Seelenlosigkeit massenproduzierter, mit standardisierten Warenzeichen versehener Produkte diametral gegenübersteht.
Im Verlauf von RE_THINKING CRAFTS werden wir versuchen, einen analytischen und innovativen Blick auf das Handwerkliche zu werfen, indem wir Hand, Auge und Kopf, technische Beherrschung und ästhetische Sensibilität verbinden. Einerseits sollen die ästhetischen und emotionalen Qualitäten von Materialien in Verbindung mit Handwerkskunst erforscht werden. Andererseits geht es auch darum, wie langsame Herstellungsprozesse, manuelle Fertigkeiten und die Auseinandersetzung mit Handwerk und der Produktion von Einzelstücken oder Kleinserien in unser soziales, ökonomisches und kulturelles Leben passen. Und schließlich soll auch die Nutzung digitaler Werkzeuge für die zeitgenössische handwerkliche Herstellung einbezogen und ihre Rolle für ein gegenwärtiges Verständnis von Handwerkskunst und Design untersucht werden.
Die folgenden Unterbereiche oder -themen sind Vorschläge, in welche Richtungen die teilnehmenden Studierenden in ihrer kreativen Arbeit gehen können. Sie sind nur als Hinweise zu verstehen, die Teilnehmer können und sollen für sich auch andere relevante Unterthemen herausarbeiten.
• High-Crafts oder erlesenes Kunsthandwerk – manuell erzeugte handwerkliche Qualitäten: Dieser Schwerpunkt wird das kunsthandwerkliche Erbe in den Mittelpunkt stellen und sich auf Material und ästhetische Sensibilität konzentrieren. Der Übergang zwischen alten und neuen Bedeutungen, Werten und Ästhetiken wird hervorgehoben, in einer Re-Interpretation des Traditionellen.
• Lab Crafts oder Techno Crafts – Technologie als Erweiterung der manuellen Fähigkeiten des Menschen: die Teilnehmer dieses Themenstrangs befassen sich mit der Wiederbelebung alter Kunsthandwerkstechniken durch neue Technologien, Materialien und Ideen oder entwickeln sogar komplett neue Verfahren.
• Social Crafts oder Crafting Connections – Kunsthandwerk als Verbindung zwischen Menschen und Kulturen: Dieses Themengebiet erforscht die soziale Bedeutung von Produktion und kollektiver Autorschaft. Es adressiert den inneren Drang des Menschen, Dinge herzustellen, sowie das Bedürfnis, über den Prozess des Kunsthandwerks Erfahrungen und Geschichten zu teilen, was heutzutage über das Web noch verstärkt wird.
Das Projekt startet mit einen 2-tägigen Research Workshop (9.+10. April) und einen 3-tägigen Workshop „Craft Re-MIX“ (15.+16.+17. April).
Zur Beurteilung des RE_THINKING CRAFTS Projekts sind die folgenden Elemente obligatorisch:
- das individuelle Designprojekt
- schriftliches Konzept
- Projektdokumentation
- Zwischen- und Endpräsentationen des Projekts
Gast:
Designerin Elisa Strozyk
www.elisastrozyk.de
* Nadine Botha in Design Indaba 2009 http://www.designindaba.com/projects/magazine/q1-09-crft
** See the Arts and Crafts Movement between 1860 and 1910, W. Morris and J. Ruskin