Seminar
„Big Data“ in Kunst und Alltag II
Im Wintersemester wird das Thema „Big Data“ mit den Fragen um eine „Entfremdung“ der Lebensweise und eine dagegen gerichtete „Ästhetisierung“ erweitert und fortgesetzt.
Wir fragen uns anhand eines Textes von Thomas Raab („Data Driven Narcissism. How Will ‘Big Data’ Feed Back on Us?“ 2015) wie sich über Big-Data-Rückkopplungsschleifen bei Facebook, LinkedIn, Twitter etc. das Selbstbild der Nutzer/innen verändert (entfremdet?). Seine These: Mit der Projektion der User-Daten auf sich selbst führt dieser Kreislauf zu einer „Population“, die maximal vorhersehbar wird, wobei sich jedes Individuum maximal einmalig fühlt (Narzissten?). Wir können im Seminar am 22.10. mit Thomas Raab persönlich über seine Frage diskutieren: Is such a social end state heaven – or is it hell?
Anke Hennig zeigte 2009 auf, dass es historisch in den russischen Avantgarden mindestens zwei unterschiedliche Vorstellungen von „Entfremdung“ gab – eine vorrevolutionäre Losung: kulturell codierter Gegenstand (predment) zum vorkulturellen Ding (vešč) und eine nachrevolutionäre Losung: vom symbolischen Gegenstand der toten zaristischen Kultur zum lebendigen der revolutionären Avantgarde.
Victor Šklovskij hatte 1916 gegen die kulturelle Verflachung in Automatismen und Symbolismen seine Technik der „Ästhetisierung“ durch „Verfremdung“ gestellt, die in der Geschichte immer wieder aufgegriffen wurde. Wie reagieren aktuelle künstlerisch-philosophische Positionen auf diese neuartige „Entfremdung“? Ist der „spekulative Realismus“ eine propere Reaktion oder wird hier ein „kindlicher Realismus“ bzw. „Animismus“ (Piaget) salon- bzw. philosophiefähig gemacht? Wir wollen dies anhand von Texten kritisch diskutieren und vielleicht findet sich auch zu diesem Thema noch ein/e Gesprächspartner/in.
-> In diesem Seminar besteht die Möglichkeit aktuelle künstlerische Positionen zu den Themenfeldern, gerne auch eigene Arbeiten (theoretische oder praktische), in Referaten vorzustellen und zu diskutieren. Auch schriftliche Hausarbeiten zu den Themen sind möglich.
The seminar will deal with the issue of “big data” especially concerning the questions of “Entfremdung” / “alienation” and “Ästhetisierung” / “aestheticization”. We will read a text by Thomas Raab (“Data Driven Narcissism. How Will ‘Big Data’ Feed Back on Us?”, 2015 — How the self-consciousness of users are changed through big data feedback loops on Facebook, LinkedIn, Twitter, etc. We can discuss this issue with Thomas Raab during the seminar on October 22nd: Is such a social end state heaven – or is it hell? We will also read a text by Anke Hennig concerning the term ‘alienation’ understood by the Russian avant-garde.
Einführende Literatur:
Hennig, Anke: Die Vergegenwärtigung der Dinge. In: Arbeitspapiere des Osteuropa-Instituts, 2, 2009, Freie Universität Berlin.
Heubach, Friedrich W.: Das bedingte Leben. Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge. München 1987.
Mayer-Schönberger, Viktor und Cukier, Kenneth: Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird. München 2013.
Mayer-Schönberger, Viktor und Cukier, Kenneth: Big data. A revolution that will transform how we live, work, and think. London 2013.
Piaget, Jean: Das Weltbild des Kindes. Stuttgart 1978 (1926).
Reichert, Ramón: Analysen zum digitalen Wandel von Wissen, Macht und Ökonomie. Bielefeld 2014.
Šklovskij, Victor: „Kunst als Verfahren“ (1916). In: Mierau, Fritz (Hrsg.): Die Erweckung des Wortes. Essays der russischen Formalen Schule. Leipzig 1991.
Die einführende Literatur wird sich in der Bibliothek im Handapparat befinden oder in der DropBox.