Sommersemester 2012,

ZERBRECHLICH

Im Folgenden finden sie eine allgemeine Projektbeschreibung. Für Nähere Informationen zu den einzelnen Schritte berühren sie bitte am oberen linken Bildrand das schwarze Informationsfeld. Bei Fragen oder Anregungen schicken sie mir gern ein Nachricht. Viel Vergnügen beim stöbern!

 

 

 

 

ZERBRECHLICH

 

Der Moment des Zerbrechens liegt an der Grenze zwischen zwei verschiedenen Zuständen. Doch wird der nach dem Bruch folgende Zustand meistens negativ gesehen. Der betroffene Gegenstand wird als kaputt oder zerstört bewertet, aufgegeben und auf den Müll geworfen. Aber was folgt eigentlich nach dem Zerbrechen? Und ist das, was zerbrochen ist, wirklich gleich uninteressant und überflüssig?

 

Alles erreicht ab einem bestimmten Punkt ein Endstadium, doch ist dies in der Regel nur ein weiterer Schritt in einem fortwährenden Kreislauf von Nutzung, Zerfall und Neubeginn. Betrachtet man diese ewig wiederkehrenden Stadien einmal unvoreingenommen, stellt man fest, dass jedes Objekt lediglich eine neutrale Veränderung, also eine Metamorphose durchläuft.

 

Es gibt die Redensart, etwas wie ein rohes Ei zu behandeln, also mit hoher Vorsicht. Doch grade das Ei ist in diesem Punkt abivalent. Für seine Funktion ist das Zerbrechen und die anschließende schnelle Zerstörung der Schale, sei es durch das Küken, oder sei es durch den Menschen, der es essen oder anders verwerten will, geradezu essentiell. Dabei erfüllt die Eierschale in ihrem zerbrochenen Zustand ebenso einen natürlichen Zweck wie als glatte, geschlossene Oberfläche, durch die das heranwachsende Küken geschützt wird.

 

Im ursprünglichen natürlichen Kreislauf spielt in der Folge vor allem der in der Eierschale enthaltene Kalk eine Rolle. In Bruchstücke zerfallen, sinken Eierschalen über die Zeit mit anderen natürlichen Abfallprodukten in den Boden ein, amalgamieren sich mit ihnen zu einer Masse und werden über Millionen von Jahren durch Druck und chemische Prozesse mit anderen Sedimenten wie Skeletten und Kalkpanzern schichtweise zu Kalkstein zusammengepresst. So werden sie wieder zu einem Rohstoff, der für Neues eingesetzt werden kann, und sich mit seinen besonderen Eigenschaften u.a. im Baugewerbe bewährt. Er hat die Fähigkeit, Schadstoffe aus der Luft zu filtern, saure Böden zu neutralisieren, Abwässer zu reinigen, sowie Wärme zu speichern und weiter zu leiten. Zudem saugt er Wasser auf und entzieht somit z.B. Wänden den Nährboden für Schimmelbefall, während er gleichzeitig die Feuchtigkeit nach und nach an die Luft wieder abgibt und so für ein angenehmes Raumklima sorgen kann. All dies sind Gründe warum Kalkstein zu einem der wichtigsten Werkstoffe geworden ist. Um Kalk zu gewinnen, muss er jedoch im Tagebau abgebaut werden, was zugleich einen enormen Energieaufwand und die Zerstörung ganzer Naturlandstriche mit sich bringt.

Während die Produktion von Eiern im Laufe der Zeit immer mehr angestiegen ist, wurde der natürliche Prozess ihrer Verwertung aber unterbrochen. Die industrielle Produktion von Eiern führt zu größtenteils unverwertetem Abfall, der als organischer Sondermüll entsorgt werden muss. Deshalb liegt es nahe, nach Möglichkeiten einer Wiederverwertung zu suchen, die die in riesigen Mengen als Restprodukt anfallenden Eierschalen auf intelligente Weise in den natürlichen Materialkreislauf zurückführt. An diesem Punkt setzt das Projekt an und verbindet dabei ein Konzept der nachhaltigen Ressourcenverwendung mit gestalterischen und ästhetischen Strategien und Aussagen.

 

Es war von vorneherein klar, dass die Verwertung von Eierschalen nicht allein der Logik einer funktional ausgerichteten Materialentwicklung folgen sollte. Ausgehend von einer wirtschaftlichen und einer ästhetischen Funktion teilte sich das Projekt deshalb in zwei Stränge. Im ersten Teil wurde mehr auf den Kerngedanken einer möglichen industriellen Produktentwicklung hingearbeitet, um aus dem zerbrechlichen Material Eierschale in Kombination mit Keramikpartikeln ein haltbares Baumaterial herzustellen. Die minimale Zerkleinerung, also das Zermahlen der Schale tragen dabei zum letztendlich verflüssigten und gießbaren Produkt bei, das sich bei seiner Aushärtung ähnlich wie Zement verhält. Optisch bleibt dabei der Anteil der Eierschalen durch die ungleichmäßige Verteilung der Komponeneten weiterhin leicht sichtbar.

Im anderen Teil des Projekts wird mit der ästhetischen Metamorphose der Eierschale gespielt. Durch eine chemische Manipulation des Grundmaterials mittels Essigessenz lässt sich eine Kristallisationsprozess erzeugen, der die Oberfläche des Materials erheblich verändert und zu einer neuen Struktur umformt.

 

Beide Resultate sind das Ergebnis vieler Experimente und stehen obwohl sie optisch einen sehr unterschiedlichen Charakter haben, eng miteinander in Verbindung. Das Ziel des Projekts war es auf verschiedenen Wegen die werkstofflichen und ästhetischen Potentiale der Eierschale im Hinblick auf eine nützliche Weiterverwertung auszuloten. Aus diesem Ansatz heraus entstand ein Produkt, das sich in zwei unterschiedlichen Formen präsentiert.

Einerseits als festes einheitliches Material, das als Werkstoff für hochwertige und elegante Oberflächen eignet, andererseits als kristalline aufgebrochene Oberfläche, die den Werdegang der Eierschale auf poetische Weise aufgreift und in eine neue Fläche übersetzt. Zerbrechlichkeit und Stabilität, Nutzung und Zerfall verbinden sich in einem Material. Es ist nicht das Ende sondern nur ein weiterer Schritt in einem Kreislauf.

Teilnehmer Ulrike Böttcher
ProjektkategorieDiplom
MATERIALENTWICKLUNG
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MATERIALbasis
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MATERIALveredelung
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MATERIALinformation
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Warum die Eierschale Recyceln?
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