Sommersemester 2015, Projektarchiv Mode
POST CATEGORY UTOPIA
Menschen lieben Kategorien- sie vereinfachen unser Miteinander, innerhalb von Sekunden beurteilen sich Menschen visuell beim ersten Kennenlernen und kategorisieren das Gegenüber nach Gender,sozialer Klasse, Bildung, politischer Ansicht, sexueller Neigung, Alter oder Herkunft.
Medien und auch die Modeindustrie bedienen sich dieser Clichés und verarbeiten sie für Konsum und im Styling.
Wiedererkennen bekannter Bilder erzeugt ein wohliges Gefühl von Sicherheit: Hier ist die Welt in Ordnung.
Doch was passiert, wenn man die Regeln bricht? Was passiert, wenn man nicht in die gesellschaftlich vorgegebenen Kategorien passt oder nicht passen will?
Modedesigner_innen sollten sich ihrer Macht, Verantwortung und auch dem Potential, das in ihrer Arbeit steckt, bewusst sein. Bestimmt kann Mode beim Dazugehören helfen. Sie spiegelt gesellschaftliche Normen und verstärkt sie. Ihre Kleidungs-Kodizes, ihre Schönheitsideale stellen einen Rahmen dar, der Menschen Sicherheit bietet, sie aber auch in ihrem individuellen Ausdruck einschränken und in Rollen drängen kann.
Genauso wie die Normen der Mode zerstören und einschränken können, hat Kleidung und Styling ein therapeutisches Potential, ist radikal und anarchistisch, ermächtigt zur Selbsterfindung und Befreiung.
Und was kommt danach?
Was kommt nach Norm-core, nach Gender. Die Medien feiern zur Zeit bereits Protagonisten jener Zukunft: reife Models mit grauen Haaren und Elfenfiguren, Frauen auf Männerschauen,
Transgendermodels und Eternal Children.
In diesem Projekt sollen aktuell gesellschaftstypische Mode-Normen und Klischees in Medien und Mode geprüft und kritisch hinterfragt werden, um sie visionär zu überwinden.
Dieses Projekt wendet sich kategorisch gegen Kategorien.
Es ist den Visionär_innen gewidmet, die sich nicht einordnen lassen, Figuren, die ihre eigene Welt erschaffen, die bereits geschafft haben, die Grenzen von Kategorisierung zu überwinden.
Die Seminare von Prof. Dr. Antonella Giannone begleiteten dieses Projekt im theoretischen Bereich.
lipstickkörperhaar
Lippenstift und Körperhaar sind zwei Gegensätze. Oder?
Ich bin mit einer unrasierten Mutter aufgewachsen und habe mich trotzdem, so bald ich meine hormonelle Reise als junge Frau angetreten hatte, rasiert, also meine natürlichen Körperhaare entfernt. Sie waren mir unnatürlich geworden.
Muss das so sein?
Wenn Nein: sollte ich aufhören, mich als weiblich zu sehen, mich aufhören zu schminken?
Ein kleines persönliches Experiment war der Grundstein meiner Inspiration: Wenn das Individuum seinen Körper in seiner haarigen Form akzeptiert, gewöhnt sich die Umgebung an die natürliche ‚Abnormität‘.
Mein Konzept dieses Semesterprojekts wurde inspiriert von weiblicher Körperbehaarung.
Die Kollektion greift stilistisch die 50er Jahre auf, für mich die Epoche traditioneller Weiblichkeit. Die Stoffe sind transparent, die Farbpalette ist rosa gehalten, was die Intimität und feminine Leichtigkeit unterstützt. Haare sind in die Teile gewebt und auf den Stoff gedruckt; sie fungieren als eine natürliche Dekoration.
Die Kollektion ist eine übertriebene Darstellung meiner Theorie; die zwei Polaritäten verschmelzen, man kann sich Körper ohne Haare nicht mehr vorstellen.
Alle Rechte vorbehalten Cecilie Schou Gronbeck
beyond age
Was macht das Alter aus?
Wie verändern sich die Körperformen im Laufe des Lebens, und wie verändern sie die
Kleidung? Welche neuen Umstände schafft das Alter, denen die Kleidung gerecht werden
muss? Welche Kleidungsgewohnheiten, welche Normen prägt die Gesellschaft für alte
Menschen? Warum tragen alle Rentner die gleichen Sanddünen-farbigen Mäntel?Unsere
Kollektion gibt diese Fragen weiter, bricht Sehgewohnheiten auf.
Als leise Provokation, ironisch aber respektvoll, dekonstruiert sie die Phänomene des Alters.
Jeder Körper ist ästhetisch, auch die Haut und die Körperformen einer über 80jährigen.
Wir bedanken uns bei einer großartigen Frau, die selbst im Alter ihren Humor und ihre
Lebenslust nicht verloren hat und uns Nahaufnahmen ihrer Haut für unsere Kollektion zur
Verfügung stellte.
Alle Rechte vorbehalten Johanna Liebl DIna Kemmerling
beyond age
Während der Lebensrhythmus des alten Menschen sich zunehmend verlangsamt, wird die Zeitspanne, die er noch vor sich hat, von Tag zu Tag kürzer.
Wer in den letzten Lebensabschnitt eingetreten ist, macht eine Erfahrung, die ihn mal mehr, mal weniger erschrecken wird: Es ist der Gegensatz zwischen der Langsamkeit, zu der er gezwungen ist, wenn er seine tägliche Arbeit verrichtet, für deren Erledigung er eigentlich viel mehr Zeit zur Verfügung haben müsste, und dem unvermeidlichen Nahen des Endes.
Der junge Mensch ist schneller und hat mehr Zeit vor sich. Der alte Mensch kommt nicht nur langsamer voran, auch die Zeit, die ihm noch bleibt, um die Arbeit, die er in Angriff genommen hat, zu Ende zu führen, wird immer knapper.
Die Zeit drängt. Ich müsste schneller werden, um noch rechtzeitig anzukommen, statt dessen erlebe ich Tag für Tag, dass ich gezwungen bin, mich immer langsamer zu bewegen.
Ich benötige mehr Zeit und habe doch immer weniger. Besorgt frage ich mich - werde ich es schaffen?
Norberto Bobbio - Vom Alter. De Senectute
Alle Rechte vorbehalten Johanna Liebl DIna Kemmerling
ein wilder Mann hat Sehnsucht
So ist das nun mal. Aber, hey - gut für uns!
In der heutigen Zeit sind wir alle an digitale Medien und mit unserem Handy, wie mit einer Nabelschnur, verbunden.
Und doch sehnen wir uns nach Kontakt mit dem Tatsächlichen, dem Ursprünglichen.
Die aufkommende Unzufriedenheit mit der geistigen Kost ist nicht zu unterdrücken.
Unsere Fantasie wird verstopft durch die beeindruckenden Bildwelten von „Call to arms 4“ und „Transformers 5“
Meine Kollektion basiert auf der Rohkost urzeitlicher Gestaltung des „wilden Mannes“ als Wahrzeichen des ursprünglichen Außenseiters, des „Anders seins“.
Die Neujahrsfiguren, welche einen alten Kult inne tragen, sind Wesen in schönen und doch in beunruhigenden Bildern.
Sie sprechen uns im Inneren an und lehren uns zeitig die Furcht.
Kinder kennen keine Furcht. Sie sind naiv und ausgelassen. Um dem wilden Mann in meiner Kollektion ein Gegenüber zu bieten, lasse ich ihn in kindliche Welten schweifen.
Meine Outfits präsentieren sich in den Gestalten farbenfroh, gewaltig, wild, aufdringlich und naiv.
Alle Rechte vorbehalten Maria Miottke
Alle Rechte vorbehalten Cecilie Schou Gronbeck
Alle Rechte vorbehalten Maria Günter
Rundgang2015
Alle Rechte vorbehalten Heike Selmer
beyond age
exhibition Rundgang 2015
Alle Rechte vorbehalten Heike Selmer
lipstickkörperhaar
exhibition Rundgang 2015
Alle Rechte vorbehalten Heike Selmer
postgenderapocalypse
exhibition Rundgang 2015
Alle Rechte vorbehalten Heike Selmer