Wintersemester 2018/2019,

Critical Paper

Haptische Sinneserfahrungen sind die Grundlage zur Entwicklung eines taktilen Bewusstseins und der Differenzierbarkeit von Oberflächen. Denken wir an raue Oberflächen in der Natur, erscheinen vor unserem inneren Auge sofort Bilder, beispielsweise eine Felswand oder die Rinde eines Baumes. Rauheit oder das Erfühlen einer unregelmäßigen Struktur kann spannend und bewusstseinserweiternd sein. So verhält es sich aber auch mit glatten, feinen oder gleichmäßig strukturierten Flächen.

 

Unser haptisches Sammelsorium wird ergänzt und erweitert sich mit jeder neuaufgenommenen Struktur, die wir erfühlt haben.

Papier hat verschiedene Facetten: Seine Ausgangsmaterial Holz ist zwar natürlich, seine Herstellung bringt aber starke Umweltbelastungen mit sich, wie hohen Wasserverbrauch, Verschwinden von Waldflächen und einen erheblichen CO2-Ausstoß. Die Verwendung von Altpapier spart Energie, senkt den Wasserverbrauch und schont die Wälder, wird aber mit einer leicht gräulichen, weniger homogenen und gröberen Papierqualität erkauft.

 

Eine besondere Erscheinungsform von Papier ist Papiergarn, das seinen Ursprung in der japanischen Kultur hat. Für diese Arbeit wurden sowohl industriell auf Holzbasis hergestellte, fertig aufgespulte Papiergarne als auch selbsthergestellte Papiergarne aus Verschnittresten einer Papierproduktionsfirma zu Flächen verwebt. Der Unterschied zwischen den zwei Garnsorten zeigt sich nicht nur in der resultierenden Optik, sondern schon beim zeitintensiven Herstellungsprozess des handproduzierten Garnes, bei dem jeder Streifen einzeln angefeuchtet und zwischen den Fingern gerollt werden muss.

 

Die Transformation von Altpapier in eine neue Form, zeigt die Vielfalt des Materials und schafft einen neuen textilen Anwendungskontext. Es geht nicht darum, ein perfektioniertes Garn aus Altpapierresten herzustellen, sondern vielmehr, die Qualitäten zwei verschieden hergestellter Garnarten aus dem gleichen Ursprungsmaterial zu vergleichen und durch die haptischen Unterschiede neue Sinneserfahrungen zu schaffen. Die haptischen und ästhetischen Wirkungen, über fest, locker, rau bis zu glatt, transparent oder opak, vermitteln die Unterschiede zwischen Industriellem und Analogem.

 

Begleitend zu der Textilkollektion gibt es eine weitere Informationsebene. Die gefertigten Einzelstücke sind per QR-Code einscannbar und führen zu einer Webseite, welche die kritischen Aspekte der Papierproduktion beleuchtet und Anleitungsvideos für handgemachtes Garn zeigt.

Teilnehmer Leonie Kriegshammer
ProjektkategorieSemesterprojekt
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