Wintersemester 2011/12,

Künstlerische Selbstentwürfe

3-tägiges Blockseminar, geleitet von Dr. Heinke Fabritius, gefördert durch den Frauenbeirat der KHB:

 

Sich zeichnend oder malend dem eigenen Antlitz zuzuwenden, ist eine alte Strategie, die auf ein weitläufiges Feld des Experimentierens und der Selbstbefragung führt. Der Spielraum der Möglichkeiten reicht von der provokanten, auf heftige Publikumsreaktionen zielenden Selbstinszenierung (ein durchdachtes Self-Fashioning) bis hin zur eher persönlich, gar privat gehaltenen Standortbestimmung, die im Skizzenbuch verbleibt und eher einer Tagebuchnotiz gleicht. Doch kann das eigene Abbild auch Projektionsfläche von außen kommender Inhalte sein, während andererseits fast jedes beliebige Motiv in Funktion und Bedeutung durchaus als Selbstporträt gedacht sein kann.

 

Wie gestaltet sich in der zeichnenden, malenden oder fotografierenden Hinwendung zum Körper, zum Gesicht, zur Leiblichkeit das Nachdenken über die eigene Person und das eigene Handeln? Wie verhalten sich äußere Schau und inneres Sein zueinander? Was sind Anlässe und Ziele, sich dieser Gattung zuzuwenden? Welche Topoi werden referiert? Wo sind die Vorbilder? Welches Medium und welches Material dabei werden genutzt?

 

Die Arbeit am Bild ist hier eine doppelte: Es geht um das Werk, den Schaffensprozess und die Umstände seiner Produktion einerseits, andererseits um eine intensivierte Form der eigenen (visuellen) Verortung in der Welt. Beides wird geformt durch das Selbstverständnis der jeweiligen Künstlerin, umgekehrt wirkt aber auch jeder realisierte Selbstentwurf zurück auf die eigene Selbstbestimmung. Zugleich ist allerdings der Akt des Zeichnens selbst – schon der Stift in der Hand kündigt ein „nach-außen-Treten“ an – eine Beziehung auf ein Publikum, ein „Selbstporträt vor anderen“.

 

Ziel des Workshops wird es sein, solchen wechselseitigen Beziehungen nachzugehen und somit auch den Blick für die Strukturen des eigenen Schaffens zu schärfen. Im Fokus stehen aktuelle weibliche Inszenierungen von Daniela Comani, Nezaket Ekici, Else Gabriel, Mathilde ter Heijne, Elke Krystufek oder Holly Zausner. Ergänzt werden diese gegenwärtigen Tendenzen durch weibliche Selbstentwürfe der Kunst des (frühen) 20. Jahrhunderts, wie sie sich etwa bei ANNOT (Anna Ottonie Jacobi), Käthe Kollwitz oder Francesca Woodman finden. Für die weitere historische Auseinandersetzung mit diesem Topos sowie die stärkere Profilierung spezifisch weiblicher Ansätze sollen auch männliche Selbstporträts (z.B. Fatin-Latour, Menzel und Beuys) in die Auseinandersetzung einbezogen werden.

 

Das Thema wird so weit wie möglich vor Originalen entfaltet. Museen und Galerien in Berlin bieten hierfür ein ideales Umfeld. Vorgesehene Veranstaltungsorte sind: Alte Nationalgalerie und Hamburger Bahnhof (1. Tag), Berlinische Galerie, insbesondere die dortige Graphische Sammlung (2. Tag), Galerien und private Sammlungen (3.Tag).

 

Die Arbeit an den Werken wird vorbereitet und ergänzt durch eine Einführung in die theoretischen Analyseverfahren des (weiblichen) Selbstporträts sowie durch ausgewählte Texte von Künstlerinnen.

 

Dr. Heinke Fabritius, Berlin 2011

Betreuung Hanna Hennenkemper
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