Wintersemester 2011/12,

Refashioning a system: How Open Source has i

Die theoretische Diplomarbeit von Oscar Ruiz Schmidt nähert sich einem ebenso erwartbaren wie wichtigen Thema: Wie Medien – wie ein Medium – ein System wie die Mode verändert hat. Denn tatsächlich sind auch die angewandten Künste keineswegs unangetastet geblieben von der Dynamik technischen Fortschritts; und nirgendwo scheinen jene Demokratisierungstendenzen, die man mit dem Begriff des »Open Source« verbindet, so spannend wie in der Mode, die wie kaum ein anderer Bereich vom (feudalen) Glamour der Könige (der Modedesigner) lebt. Mit anderen Worten: Diese Arbeit unternimmt es, das »System der Mode« von Roland Barthes in semiologischem Furor geschildert, medientheoretisch zu aktualisieren – wobei nicht die Theorie wie bei Barthes hier Thema ist, sondern die Praxis und Empirie dieses Systems, das sich ebenso sehr verändert hat.

Der aparten, gut designten Arbeit gelingt es spielend, die vielfältigen Auswirkungen der »digitalen Revolution« auf die Mode zu systematisieren und dabei noch einen Blick auf die tatsächliche Undergroundbewegung innerhalb der Fashion Industry zu werfen – en passant baut Schmidt noch diverse popkulturelle Referenzen ein, die belegen, dass er sein Thema beherrscht: von Barthes bis Buckminster Fuller und von Thorstein Veblen zu Adolf Loos. Dabei ist dies weit verzweigt, von den vielfältigen Versprechen des Internet bis zur partizipativen und sozialen Produktion und von Open Source bis zum Urheberrecht wird alles angesprochen – inklusive der Schilderung diverser Open-Source-Fashion-Design-Projekte, die als solche einen guten Überblick geben und die von Schmidts gutem Überblick berichten: und der reicht von den unüberschaubaren Mode-Blogs über Social Networks bis hin zur Dekonstruktion in oder als Mode, der ein besonderes Augenmerk der Arbeit gilt. Allein zu entdecken, was alles für spannende Projekte existieren, ist die Lektüre der Arbeit wert.

Diese Projekte demonstrieren, dass das Nachhaltigkeits-Design mit Hilfe von Open Source – zwei Dinge, die man wahrscheinlich noch besser unterscheiden müsste – keineswegs marginal ist, sondern die Design Practice selbst verändert hat. Wie das dekonstruktive Design zeigt, sind die popkulturellen Strategien der appropriation, transformation, sampling nicht nur aus der Popkultur übernommen – sie sind auch längst in der Mode selbst angekommen.

Ins Herz des Themas dringt aber erst das Kapitel über die Schnittmuster-Revolution vor: Denn was Mode und Medien verbindet, sind nicht nur Open-Source-Schnittprogramme und deren Internet-Veröffentlichung – es ist, radikaler noch, die Frage, ob der Schnitt nicht selbst eine mediale Form ist, die bei der Entwicklung der modernen Medien entscheidend mitgeholfen hat. Wie Birgit Schneider vom Webstuhl gezeigt hat, sind die materiellen Kulturen des Textils nur einen Sprung weit von den materiellen Kulturen der Medien entfernt. Auch wenn Schmidts Arbeit diese letzte Konsequenz nicht zieht, weil er eher (wie Habermas) auf die demokratisierenden und emanzipierenden Effekte von Medien blickt als auf die technischen (wie Kittler), rückt sie mit seiner Arbeit doch in greifbare Nähe.

Denn natürlich ist es am Ende die Frage, ob der Zugriff des Internets auf die Mode nicht auch stereotypisierende und uniformierende Tendenzen hat und nicht nur die erfreulichen emanzipativen, die sich stets noch am Stein des digital divide bricht. Auch die Frage, ob die Utopie denn funktioniert, spart Schmidt lässig aus – wie natürlich auch die ästhetische Frage der Mode: Und, wie sieht es aus?

 

Prof. Dr. Knut Ebeling, Winter 2012

 

zum herunterladen: issuu.com/cornucopiazine/docs/refashioning_a_system-ruiz_schmidt_e-book

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