Sommersemester 2012,
Acqua & Cotone
Carmen Panizzo
Acqua & Cotone
Meine Erfahrung als Designer hat mir deutlich gemacht, dass man heute, um ein Produkt zu denken, immer auch seinen Kreislauf mitdenken muss. Weltressourcen, Produktzyklen und Entsorgungswege sind in die Kosten eines Produkts einzurechnen und sollten einen verantwortungsvollen Designprozess immer mitbestimmen. Dies gilt besonders im Bereich der Textilien.
Nur wenigen Menschen ist bewusst, dass man zur Herstellung von 1 kg Baumwolle 11.000 l Wasser benötigt. Weltweit werden im Jahr ca. 20 Mio. Tonnen Baumwolle produziert. Mode- und Textilindustrie gehören zusammen mit dem Lebensmittelbereich zu den Produktionszweigen mit dem höchsten Ressourcen- und Flächenverbrauch und auch dem höchsten Abfallaufkommen. Um aus dieser Entwicklung herauszukommen, müssen neue Systeme entwickelt werden, die lokal funktionieren und umweltfreundlicher sind.
Upcycling ist eines der Modelle, das in diesem Zusammenhang zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es zielt darauf, durch individuelle Verfahren den Wert eines Materials zu erhalten oder sogar zu erhöhen und den Ressourcenverbrauch bei der Weiterverarbeitung zu reduzieren. Beim Downcycling als der verbreitetsten Variante des Recyclings dagegen fällt im Zuge einer meist industriellen Verarbeitung ein erhöhter Ressourcenverbrauch an, während das Endprodukt oft im Verhältnis zum Ausgangsprodukt von minderem Wert ist.
Das Upcycling-Projekt „Acqua & Cotone“ bezieht sich ganz konkret auf die Problematik des Ressourcenverbrauchs im Zusammenhang mit der Produktion und dem Konsum von Textilien. Dabei verfolgt es einerseits einen möglichst widerspruchsfreien ökologischen Materialansatz, integriert aber die Thematik auch in die Gestaltung der Oberflächen, deren Muster gleichzeitig eine kodierte Information vermitteln. Benutzt werden graphische Modelle des chemischen Aufbaus von Wasser bzw. von Baumwolle sowie Weltkarten, die die Verteilung dieser Ressourcen zeigen.
Das Ausgangsmaterial des Projekts ist „Post Consumer Waste“, in diesem Fall gebrauchte Baumwollbettwäsche. Der Stoff muss also nicht neu produziert und auch nicht entsorgt werden. Er wird bezogen aus lokalen (Tausch-)Systemen, die einerseits eine Integration der Produktion in gegebene soziale Zusammenhänge implizieren und darüber hinaus auch anfallende Transportkosten minimieren. Die Größe der Stoffteile ermöglicht eine besonders ökonomische Verteilung der Schnittmuster, aufgrund ihrer Haltbarkeit sind sie z.B. sehr gut für Hemden geeignet. Durch die Färbung mit Naturfarben wird eine homogene Palette der verschiedenen Stoffe erreicht. Die entstandenen Schnittmuster folgen der Logik des „Zero Waste Cut“ und haben einen geometrischen und modularen Charakter.
Upcycling erschöpft sich aber nicht in der Umsetzung eines konsequenten Nachhaltigkeitsdenkens. Mindestens ebenso wichtig ist es, für die Möglichkeiten des Materials offen zu sein und diese spielerisch aufzugreifen und kreativ zu nutzen. Es geht auch darum, die ästhetische Seite des faktisch Gegebenen zu aktivieren und es über den eigenen kreativen Prozesse in etwas Neues zu transformieren. In diesem Sinne bildet die Wiederverarbeitung von etwas schon Vorhandenem ein spannendes Gestaltungsfeld, in dem sich auch viele meiner früheren Projekte schon bewegen.