Lehrangebote

Ketzerische Arbeiten zur Wohnungsfrage

Während im Europa des 20. Jahrhunderts, angesichts der Ausdehnung kapitalistischer Verflechtungen auf dem Wohnungsmarkt, Genossenschaften, Kommunen, Wohlfahrtsträger und staatliche Institutionen sozial verträgliche Modelle des Wohnungsbaus hervorbrachten, scheint anfangs des 21. Jahrhunderts immer weniger Raum für solche Ansätze übrig geblieben zu sein. Das Wohnen – ein grundlegendes Menschenrecht und vielmehr, ein sich durch Alltagspraktiken stets neu definierender Moment der Produktion des Raums – wird durch einen von global agierenden Investoren gesteuerten Wohnungsbau zur Ware gemacht und homologisiert.
Am Beispiel neu entstandener „Luxuswohnviertel“ Berlins (etwa an der Jakobstrasse in Berlin-Mitte, im „Diplomatenviertel“ in Schöneberg, am nördlichen Gleisdreieckspark oder in den „Prenzlauer Gärten“ am Volkspark Friedrichshain) wollen wir erstens untersuchen, welche Urbanität heutzutage gefördert wird – vielleicht eher: ob Urbanität, als Vielfalt von Lebensformen in der Stadt, überhaupt entstehen kann. Gestützt von Henri Lefebvres Theorie der Produktion des Raums setzen wir uns mit infrastrukturellen und städtebaulichen Eigenschaften, Routinen, Bewohnerinnen und Alltagskulturen vor Ort auseinander; wir lernen und erproben vielseitige Ansätze der Stadt- und Raumforschung, z.B. assoziative Spaziergänge, Fotografieren, Rhythmenanalyse und teilnehmende Beobachtung.
Raumstrategisch ist es zweitens wichtig zu diskutieren, dass sowohl privatwirtschaftliche Projekte als auch die heute modischen Wohngruppen der kapitalschwachen aber bildungsstarken „Alternativen“ privilegierte Bevölkerungsgruppen in den Stadtzentren sammeln und die tradierten Eigentumsverhältnisse nicht infrage stellen. Schon Friedrich Engels lehnte die Forderung progressiver Denker seiner Zeit, nach denen Arbeiterklasse und Kleinbürgertum Wohnungseigentümer werden sollten, als antirevolutionär ab: Sie würde an der kapitalistischen Ausbeutung nichts verändern. Die gemeinsame Lektüre seiner Abhandlung Zur Wohnungsfrage hilft uns dabei, das Problem anzugehen und ggf. ketzerische, provokatorische Gegentaktiken zu erdenken. Die Ergebnisse publizieren wir anschliessend im Raumstrategien-Heft Raum-zine.

Wintersemester 2015/2016

Wochentag(e) : Mittwochs

Ort : Raumstrategien, T3.01


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Wochenstunden : 3